Der Wunsch nach einem Eigenheim ist bei den Schweizerinnen und Schweizern nach wie vor sehr gross. Als Folge der ungebremsten Nachfrage sind die Preise für Einfamilienhäuser in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich 45 Prozent gestiegen. Der Preisanstieg betrifft nahezu 100 Prozent der Gemeinden, das zeigen neue Daten des Immobilien-Beratungsunternehmens Wüest Partner bis Ende 2022. Nur gerade 17 von insgesamt 2147 Gemeinden verzeichneten über zehn Jahre hinweg keine Preissteigerung oder sogar sinkende Werte.
Mithilfe unserer interaktiven Karte können Sie die Veränderungen der Preise über die letzten zehn Jahre hinweg erkunden.
Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus den Daten:
Warum stechen die Luxus-Tourismus-Orte hervor?
In Gemeinden wie Andermatt, Zermatt, Saanen BE oder Engelberg betragen die Steigerungen im Minimum 100 Prozent. Die Immobilienpreise haben sich innerhalb von zehn Jahren also mindestens verdoppelt – Spitzenreiter ist Andermatt mit einem Plus von sogar 150 Prozent. Das hat primär zwei Gründe, wie Robert Weinert, Leiter des Immo-Monitorings bei Wüest Partner, sagt. Zum einen verfügen diese Gemeinden in der Regel über eine sehr gute Infrastruktur für Sommer- und Winteraktivitäten. Oder haben diese, wie Andermatt, in den vergangenen Jahren aufgebaut. Zum andern liegen die Ortschaften in der Regel relativ hoch, was eine gewisse Schneesicherheit garantiert. Das macht einen Hauskauf attraktiv.
Zum Boom beigetragen haben aber auch die Käuferinnen und Käufer selber, vor allem eine vermögende Schicht, die dank tiefer Zinsen über viel «billiges Geld» verfügte – und dieses in Immobilien investieren wollte. «Die Zahlungsbereitschaft dieser Klientel war sehr gross, was die Preise zusätzlich in die Höhe getrieben hat», sagt Weinert. Ob nun ein Haus 5 oder 10 Prozent mehr koste, sei für diese Käuferschicht nicht entscheidend.
Warum werden Einfamilienhäuser in der Ostschweiz so viel teurer?
Bei der Preissteigerung zuoberst stehen neben Tourismusorten viele Gemeinden aus der Ostschweiz. In Rickenbach und Wagenhausen (beide TG) sowie Kirchberg SG haben sich die Immobilienpreise in zehn Jahren verdoppelt. Der Grund: In der Ostschweiz setzte der Boom später ein als in anderen Regionen. Folglich ist auch die Zunahme im betrachteten Zeitraum seit 2012 grösser. Hinzu kommt laut Weinert ein Verdrängungseffekt. «Im Grossraum Zürich ist Wohnraum für viele mittlerweile nicht mehr erschwinglich, diese Leute weichen teilweise in die Ostschweiz aus.» In den zehn Jahren ist auch die Anbindung der Ostschweiz – etwa mit dem öffentlichen Verkehr – an die Zentren Zürich und Winterthur besser geworden. Das begünstigt den Verdrängungseffekt.
Wie schneiden die Tiefsteuerkantone Obwalden und Zug ab?
Die Steuerbelastung spielt als Faktor beim Hauskauf wieder eine wichtigere Rolle. Das zeigt sich exemplarisch an den Preissteigerungen in den steuergünstigen Kantonen Obwalden und Zug. Die neuen Arbeitsformen wie Homeoffice, die sich im Laufe der Corona-Pandemie etabliert haben, sind zentrale Treiber. «Mit Homeoffice verlor die Nähe zu Zürich für einen Hauskauf an Bedeutung», sagt Weinert. Gleichzeitig rückten Faktoren wie Naturnähe oder eben Steuerbelastung in den Fokus. Davon profitierten die Tiefsteuerkantone Obwalden und Zug.
Warum steigen die Preise in Zürich und Genf nicht weiter?
Diese beiden Regionen gehören bei den Immobilien nach wie vor zu den teuersten Pflastern überhaupt. Allerdings ist die Zunahme der Preise geringer als in anderen Regionen. «Ich gehe davon aus, dass wir hier einen Plafond erreicht haben», sagt Weinert, «in den Jahren 2018 und 2019 hatten wir sogar leicht sinkende Preise.» Gerade die Region um den Genfersee reagiere immer zuerst auf neue Entwicklungen. Im laufenden Jahr rechnet Weinert schweizweit mit stagnierenden Häuserpreisen.
Auf dieser Karte sehen Sie, wie viel ein Einfamilienhaus aktuell in Ihrer Gemeinde kostet.
Wo kosten Einfamilienhäuser heute weniger als vor zehn Jahren?
Davos gehört zu jenen Gemeinden, bei denen die Immobilienpreise in den letzten zehn Jahren gesunken sind. Das ist eine absolute Ausnahme – insbesondere für einen Ort mit dieser Ausstrahlung. Weinert vermutet, dass es Davos verpasst hat, sich ein klares touristisches Profil zu geben. Entsprechend sei die Attraktivität für potenzielle Hauskäuferinnen und -käufer gesunken. Allerdings erlebte Davos in den letzten zwei Jahren wieder einen Boom – dieser vermag den Rückgang in den Zehnjahresdaten jedoch nicht zu kompensieren.
Wenig Bewegung gibt es auch im Kanton Tessin. Die Immobilienpreise sind zwar zumindest in den Zentren hoch, aber es gab kaum nennenswerte Preissteigerungen. Ein Grund ist neben dem serbelnden Finanzplatz die überalterte Bevölkerung: Die Jungen ziehen weg, die Rentner wandern ein und lassen sich nieder. Letztere haben weniger Einkommen und damit auch weniger Kaufkraft. Mittlerweile ist das Bruttoeinkommen pro Haushalt im schweizweiten Vergleich im Tessin am tiefsten. Probleme ortet Weinert vor allem in der Peripherie – mit grossen Leerständen und vielen renovationsbedürftigen Gebäuden.
Steigen die Preise nun immer weiter?
Zumindest für das laufende Jahr gibt Experte Weinert Entwarnung. Er rechnet mit einer «klaren Stagnation» der Immobilienpreise, «allenfalls nur mit einer leichten Zunahme im Bereich von plus/minus einem Prozent». Doch im Fünfjahresszenario ab 2024 sieht es wieder schlechter aus für potenzielle Käuferinnen und Käufer. Wüest Partner erarbeitet zwar verschiedene Szenarien, doch das wahrscheinlichste ist folgendes: Selbst wenn die Zinsen abermals steigen sollten, dürften die Immobilienpreise nicht stark sinken – zumindest wenn die wirtschaftliche Entwicklung einigermassen intakt bleibt. Weinert sagt: «Die Bevölkerung in der Schweiz dürfte weiter wachsen, und es fehlt Bauland, das Angebot ist also nicht beliebig ausdehnbar. Dieser Effekt wird grösser sein als der Einfluss möglicher Zinserhöhungen.»
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