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Die Schweizerinnen und Schweizer schlittern immer tiefer in die Schulden. Das zeigt die neue Statistik der Schuldenberatung Schweiz: Im Jahr 2021 betrug der Median der Verschuldung 41’500 Franken. Das bedeutet, dass die eine Hälfte höher verschuldet ist und die andere weniger hoch. Die 41’500 Franken sind der höchste Wert seit 2016 und eine Zunahme um rund sieben Prozent.

Mit Daten der Wirtschaftsauskunftei Crif AG lässt sich nun auch erstmals zeigen, in welchen Gemeinden besonders viele Schuldnerinnen und Schuldner leben. Vergleichbar werden die einzelnen Gemeinden anhand der Schuldnerquote – also der Zahl der Schuldnerinnen und Schuldner in Relation zur Gesamtbevölkerung.

In mehr als zwei Dritteln aller Gemeinden sind die Schuldnerquoten während der Pandemie gesunken. Das zeigt eine Analyse von Januar 2020 bis April 2022. Lediglich in einem Drittel der Gemeinden ist die Quote gestiegen.

Warum die Zahl der Schuldnerinnen und Schuldner während der Pandemie abgenommen hat, erklärt Pascal Pfister, Geschäftsleiter der Schuldenberatung Schweiz, mit den «eingeschränkten Konsummöglichkeiten». Dadurch hätten die Menschen mehr sparen können – das gelte teilweise auch für solche mit tiefen Einkommen.

Eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich von 2021 bestätigt dies. Demnach hat die Schuldenlast hauptsächlich bei Menschen mit tieferen Einkommen zugenommen, die beispielsweise auch noch in Kurzarbeit waren. In den übrigen Fällen gab es hingegen eine Entlastung, was letztlich wohl auch die Schuldnerquote schweizweit nach unten drückte.

Das sind die wichtigsten Fragen zur Verschuldung der Schweizerinnen und Schweizer:

Gibt es regionale Unterschiede?

In der Romandie gibt es deutlich mehr Schuldnerinnen und Schuldner als in der Deutschschweiz. Laut Schuldenexperte Pfister hat dies allerdings «weniger mit der sprachlichen Region als vielmehr mit dem wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Umfeld» zu tun. Im Kanton Neuenburg zum Beispiel hat jeder zehnte Einwohner Schulden – das ist Rekord. Gleichzeitig ist die Sozialhilfequote dort so hoch wie sonst nirgends in der Schweiz. Auch die Arbeitslosenquote gehört im Westschweizer Kanton zu den höchsten.

Von allen Städten mit über 10’000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat Payerne im Kanton Waadt die höchste Schuldnerquote – mit 15 Prozent. Den tiefsten Wert hat Küsnacht an der Zürcher Goldküste. Hier sind nur gerade 3 Prozent der Einwohner verschuldet.

Haben Ausländerinnen und Ausländer mehr Schulden?

Eine statistische Auswertung der Crif-Daten lässt diesen Schluss zu. Gemeinden mit einem höheren Anteil an Ausländerinnen und Ausländern haben in der Tendenz auch höhere Schuldnerquoten. Die Aargauer Gemeinde Spreitenbach zum Beispiel hat einen Ausländeranteil von 50 Prozent – und eine Schuldnerquote von über 8 Prozent, was gut 3 Prozentpunkte höher ist als im Kanton.

Für Schuldenexperte Pfister ist dieser Befund plausibel. Er sagt, es gebe dafür zwei Erklärungen. Zum einen sei der sozioökonomische Status der Ausländer tiefer als jener der Schweizer. Das zeige sich etwa bei der höheren Sozialhilfequote. «Dazu kommt oftmals eine administrative Überforderung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse.» Wenn Nichtmuttersprachler Mahnbriefe kaum verstehen würden, erhöhe sich dadurch das Verschuldungsrisiko. Pfister sagt aber auch: «Verschuldung ist kein auf Ausländer beschränktes Problem, viele Betroffene sind Schweizer. Der erklärende Faktor ist der sozioökonomische Status.»

Mit welchen Vorurteilen kämpfen verschuldete Personen?

Laut Experte Pfister wird Verschuldung «hierzulande moralisch aufgeladen und oft mit einem exzessiven Lebensstil in Verbindung gebracht». Das komme zwar vor, bleibe aber eher die Ausnahme als der Regelfall. So zeige die Beratungsstatistik, dass nur gerade bei 8 Prozent der Betroffenen eine Spiel- oder Kaufsucht ursächlich für eine Verschuldung sei.

Das grösste Risiko für Schulden besteht in einer Krise, wenn die Menschen ihre Arbeit verlieren, krank werden oder die Beziehung in die Brüche geht. In Kombination mit einem tiefen Einkommen und mangelnder Finanzkompetenz ist dies verheerend.

Die Schuldenstatistik 2021 zeigt: Das Medianeinkommen aller Ratsuchenden betrug rund 4200 Franken – ist damit also extrem tief. Das heisst, die eine Hälfte verdiente weniger, die andere mehr als die 4200 Franken. Zudem sind sehr viele Betroffene alleinstehend. Am häufigsten sind Schulden bei den Steuerämtern und den Krankenkassen.

In den Daten der Schuldenberatung sind im Schnitt 5000 Haushalte erfasst, die bei der Fachstelle Hilfe suchen. Die Statistik der gemeinnützigen Organisation gilt als die aussagekräftigste Erhebung zu privaten Schulden in der Schweiz.

Wie lässt sich die Schuldenspirale stoppen?

«Viele Haushalte sind in der Verschuldung gefangen und finden keinen Ausweg mehr», sagt Experte Pfister. So zeigt die neuste Beratungsstatistik, dass die Hälfte aller Haushalte bereits seit sechs Jahren verschuldet sind und ein Viertel sogar länger als zehn Jahre.

Um diesen Teufelskreis durchbrechen zu können, hat der Bundesrat eine Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) veranlasst. Die Vorlage ist zurzeit in der Vernehmlassung. Vorgesehen ist ein neues Sanierungsverfahren mit einer Restschuldbefreiung, was einen Schuldenschnitt und damit einen Neustart ermöglichen würde.

Schuldenberater Pfister begrüsst die geplante Revision im Grundsatz. Das könne vielen verschuldeten Menschen eine neue Perspektive geben, sagt er. Und die Änderung sei letztlich auch ein Gewinn für die Volkswirtschaft, wenn weniger Menschen in Schulden leben müssten, werde der Sozialstaat weniger stark belastet. Entscheidend ist für Pfister aber, wie das Schuldenschnitt-Verfahren ausgestaltet wird. Die Dauer dürfe nicht zu lange sein und der Prozess müsse sozialarbeiterisch begleitet werden, sagt der Experte. «Ansonsten bleibt das neue Verfahren ein Papiertiger.»

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